Während meines täglichen Spaziergangs über die Bir-Hakeim Brücke, um in meinem Lieblingssupermarkt, Marks & Spencer Food (M&S), meine Lebensmittel aufzufüllen, kam mir plötzlich ein panischer Gedanke. Es war der 4. Januar, nur wenige Tage im neuen Jahr und nur wenige Tage, nachdem die Übergangszeit des Vereinigten Königreichs zum Austritt aus der Europäischen Union offiziell beendet war. Was bedeutete das für mich, als britischer Staatsbürger, wohnhaft in Frankreich?
Zunächst einmal, dass ich bei meiner Ankunft im Laden leere Regale mit einem Hinweis vorfand, der besagte, dass es aufgrund des Brexit zu Verzögerungen der Lieferung von Lebensmitteln aus Großbritannien kommt.
Es bedrückte mich mehr als es wahrscheinlich sollte, aber britisches Teegebäck bedeutet für mich immer ein kleines Stückchen Heimat in der Fremde. Obwohl ich natürlich anderes Gebäck im französischen Supermarkt kaufen könnte, oder sogar im luxuriösen La Grande Épicere, hatte ich das Gefühl ein Teil meiner britischen Wesensart verloren zu haben.
War es das? War meine Heimat bereits jetzt schon so sehr von mir getrennt worden?
Auf dem Heimweg komme ich an einem Plakat für den neuen James-Bond Film „No Time To Die“ vorbei. Aufgrund der Pandemie wurde der Start bereits dreimal verschoben. Ich gehe also nach Hause und erhoffe mir auf Netflix ein kleines bisschen Heimat zurückzuholen. Immerhin wird Daniel Craig seine gut geschnittenen Turnbull & Asser Hemden tragen, einen Aston Martin fahren und die Lizenz zum Töten behalten, rede ich mir ein. Eingeloggt in mein Netflix Konto stelle ich fest: kein einziger James Bond Film verfügbar und mir kommt der Gedanke, ob ich wohl jemals wieder James Bond auf dieser Seite des Ärmelkanals sagen höre: „Geschüttelt, nicht gerührt“, während ich mein Teegebäck genieße.
Also kein Netflix. Ich ziehe mich wieder an und mache mich auf den Weg zu Fnac, dem französischen Buchhändler. In einer stillen, dunklen Ecke entdecke ich sie, geschrieben, als ich grade das Erwachsenenalter erreicht hatte und mir wird klar, vielleicht ist doch nicht alles Britische verloren gegangen. Geheimnisvoll und mystisch säumen J.K. Rowlings Werke auch heute noch die Regale und zu meiner Überraschung sind sie sogar auf Englisch. Ich spreche zwar Französisch, aber vielleicht kann ich mich so mit meiner britischen Herkunft und Sprache verbinden. Beim Verlassen des Ladens komme ich an Agatha Christies Roman „Und dann gabs keines mehr“ vorbei und muss unweigerlich an meine fehlenden Lieblingskekse vom Vormittag denken.
An der Ampel wartend sehe ich einen Mini vorbeifahren. Diese kleinen Flitzer sind wirklich ideal für die engen und schwierigen Parklücken auf den französischen Straßen. Auch wenn das Unternehmen mittlerweile in deutschem Besitz ist, so kann kein Rücklicht ihre Herkunft verleugnen. Ich versinke in Gedanken und stelle mir vor, wie ich einfach in einen einsteigen könnte, nach Calais rasen und mit dem Eurotunnel-Shuttle sofort auf der anderen Seite des Kanals in Folkestone wäre – und das Beste daran: ich würde den ganzen Kofferraum mit meinen Lieblingskeksen vollpacken können.
Wenn ich heute, einen Monat später, spazieren gehe, jedesmal in der Hoffnung, dass M&S wieder voll bestückt ist (was es immer noch nicht ist), höre ich als Aufmunterung “Here Comes The Sun” und ich fühle mich leicht wie eh und je, ohne eine Sorge auf der Welt. Während ich das schreibe, ist es zwar nicht sonnig, es schneit sogar, aber die Beatles stimmen mich immer fröhlich und zaubern ein Lächeln auf mein Gesicht und mir wird klar, dass manche Verbindungen durch nichts getrennt werden können und jeder seine Spuren hinterlässt.